Agile Strategiemethoden als Antwort auf eine Welt unter V-U-K-A Einfluss
Eine Welt voller Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz – kurz V-U-K-A – macht Führungskräfte unsicher, hemmt deren Entscheidungssicherheit und beeinflusst somit mittel- und unmittelbar die Wirtschaf.Aber was genau bedeutet VUKA überhaupt? Lassen Sie diese Begrifflichkeit am Besten selbst auf sich wirken:
V – Volatilität: Gibt es auch in ihrem Umfeld immer öfter Veränderungen welche Sie nicht vorhersehen konnten, welche vollkommen überraschen und sehr schnell eintreten? Volatilität ein Begriff aus der Physik beschreibt die Schwankungsbreite die zB im Marketing dazu dient, die Unbeständigkeit von Präferenzen einer speziellen Konsumentengruppe (zB Mütter) für eine Produktgruppe (Babynahrung) zu beschreiben. Alles ändert sich schneller und häufiger.
U – Unsicherheit: Wenn Sie etwas für die Zukunft planen, bemerken Sie, dass die Pläne immer seltener in Erfüllung gehen? Insbesondere dann wenn diese Planungen auf einer Fortschreibung der Vergangenheit basieren? In Politik, Gesellschaft und Wirtschaft fehlt es an zuverlässigen Vorhersagen; Eine Überraschung folgt der anderen.
K – Komplexität: Wird es auch für Sie immer schwerer die richtigen Erfolgsfaktoren für Ihr Geschäft zu finden? Plötzlich spielen Einflussfaktoren eine Rolle welche Sie in der jüngsten Vergangenheit gar nicht kannten? Sie haben in Ihrer Führungsrolle keine Informationshoheit mehr. Informationen werden kreuz und quer weitergereicht, stammen aus allerlei Quellen, werden verändert, oder gar erfunden. Ihr Wort ist nicht mehr Befehl. Sie müssen ein-beziehen, begründen, begeistern, bevor sich etwas bewegt. Als Autorität werden Sie hinterfragt, von unten kritisiert. Das Kräftespiel ist so vielfältig, dass es chaotisch und verwirrend wirkt.
A – Ambiguität: Nichts scheint mehr wie es ist. Widersprüche überall. Sie fragen zwei Experten und bekommen drei Meinungen. Alles ist mehrdeutig und doppelsinnig; Fakten können im unsicheren Kontext rasch sehr unterschiedlich und anders interpretiert werden.
V-U-K-A Umfeld fordert agile Strategiemethoden
Beispiele agiler Strategiemethoden
Abb. Agile Strategy Maps
Active Waiting
Vertreter der “Verrückten Strategien” – Die neuen Wilden (vgl. Ralph Scheich, 2012)
Handlungsanleitung: In der Phase des aktiven Wartens (active waiting strategy) kann folgendermassen vorgegangen werden:
- Erarbeiten Sie Ihre Vision, aber halten Sie diese „unscharf“. Setzen Sie sich engagiert mit Zukunftsentwicklungen auseinander.
- Entwicklen Sie Handlungsreserven (durch Experimentieren und vorsichtiges Manövrieren auch in Ausnahmesituationen).
- Rekognoszieren (Ausspähen, aufklären und erkunden) – Die Dynamik des eigenen Geschäftes muss im gesamten Unternehmen spürbar sein. Es wäre falsch nur die Führungskräfte dieser Erkundung auszusetzen und die eigenen Mitarbeiter davon abzuschirmen. Halten Sie die Crew bereit – ähnlich dem aktiven Warten in den „Blaulichtorganisationen“.
- Die Crew muss in der Zeit des aktiven Wartens neue Fähigkeiten und Kompetenzen aufbauen. Kündigen Sie den Wandel mit dem richtigen Timing an – wenn die Zeit reif ist, um die neuen Chancen wahrzunehmen, dann ist ein schneller Schritt notwendig und muss offen und rasch kommuniziert werden.“
Quelle: (vgl. Sull, 2005)
Agile Strategy Map
Business Modelling Canvas
Business not as usual
- Konzeptstrategien – Fokus auf das Geschäftskonzept. Beispiele erfolgreicher Konzeptspezialisten sind: Dell und Ikea
- Beziehungsstrategien – Fokus auf den Kunden. Diese Unternehmen richten sich darauf aus, den Kunden zu „besitzen“. Sie faszinieren und begeistern ihre Kunden. Beziehungsspezialisten sind: Die Scala in Mailand, Red Bull, Harley Davidson, Amazon, Google. Je mehr Services man von diesen Firmen nutzt, umso besser lernen diese Firmen ihre Kunden kennen und bieten daher noch mehr massgeschneiderte Lösungen an.
- Fähigkeitsstrategien – Fokus auf Kernkompetenzen. Diese Unternehmen konzentrieren sich darauf bestimmte Prozesse oder Technologien mit hoher Kompetenz zu beherrschen. Fähigkeitsspezialisten sind Firmen wie z.B. Flextronics, Mc Kinsey, Boston Consulting.
- Wertangebot für Kunden: Was tun wir für den Kunden? Wie bieten wir ihnen einen aussergewähnlichen Nutzen?
- Kernkompetenzen: Welche Dinge von Weltklasse können wir selbst herstellen?
- Komplementärkompetenzen: Was können unsere Weltklassepartner besser als wir selbst? Wie verteilen wir die Aktivitäten zur Nutzensteigerung für den Kunden?
- Zukunftsoptionen: Welches Wachstumspotenzial existiert, und wo ist es zu finden? Wie erschliessen wir es?
Quelle: (vgl. Ridderstrale/Nordström, 2001)
Lean-Startup
Kernaussagen: Die Lean-Startup-Methode ist eine Strategiemethode aus Kombination von schnellem Feedback und Iterationen zum Unternehmen oder Produkt, dem Überprüfen des Geschäftsmodells und dementsprechend die Schnittmenge aus Kunden- und agiler Produktentwicklung. Mit ihr lässt sich früh genug auf Fehlentwicklungen reagieren und womöglich ein strategischer Kurswechsel herbeiführen Der Lean-Startup-Ansatz beschreibt eine strategische Methode bei dem mit möglichst wenig Kapitaleinsatz ein erfolgreiches Unternehmen gegründet oder Produkt erfolgreich in den Markt eingeführt werden kann. Der Fokus liegt hierbei auf Learning-by-doing durch das frühzeitige „An den Markt bringen“ des Produktes oder der Dienstleistung. Lean Startup geht davon aus, dass das Geschäftsmodell, auf dem das Produkt oder das Service aufbauen, aus einer Menge von Annahmen besteht. Diese gilt es anhand von Experimenten und Messungen zu validieren – so ähnlich, wie wir in der Wissenschaft Hypothesen überprüfen. Die Annahmen werden in einem Business Model Canvas (siehe auch: Busisness Modelling Canvas) festgehalten, mit dem man versucht, das Geschäftsmodell in wenige Teilbereiche aufzuteilen und übersichtlich, sowie anschaulich zu beschreiben. Um Annahmen zu überprüfen, müssen wir Feedback von tatsächlichen oder potentiellen Kunden einholen.
Um Experimente mit möglichst wenig Aufwand und in schnellst möglicher Zeit durchzuführen, empfiehlt es sich, diese Produktinkremente (Teilergebnisse) so klein wie möglich zu halten. Dabei spricht man von einem Minimal Viable Product (MVP), also etwas Minimalem, das durchaus noch unvollständig sein darf, und gerade groß genug ist, um das Experiment durchzuführen. Damit wird Lernen zum Maßstab für Fortschritt, und nicht – wie meist üblich – die Anzahl umgesetzter Anforderungen als Erfolg gemessen. Verbildlicht wird dieses Lernen durch den Build-Measure-Learn Zyklus. Das Prinzip ist einfach: Zunächst wird etwas Kleines („Build“) erstellt. Darauf aufbauend werden Messungen durchgeführt („Measure“), um daraus etwas zu lernen („Learn“). Einen kompletten Durchlauf dieses Zyklus bezeichnet man als Experiment. Eine Grundidee von Lean Startup besteht darin, diese Experimente möglichst schnell durchzuführen.
- Welches Problem soll gelöst werden?
- Wie würde die Lösung beim Kunden ankommen? Haben sie das Problem wirklich?
- Ist der Fragesteller der Richtige, um das Problem zu lösen?
- Würden die Kunden die Lösung akzeptieren?
- Welche Art von Kunden würde das interessieren?
- Welches Produkt könnte das Problem lösen?
Quelle: (vgl. Ries, 2001; Maurya, 2012)
Patching
- Reagiere rasch ohne aufwändiges Taktieren, um Zeitvorteile zu nutzen.
- Entwickle für jede strategische Entscheidung mehrere Alternativen, um die Entscheidungsqualität zu verbessern.
- Teste strategische Entscheidungen. Etabliere kleine Versuchsreihen, um Geschäfte in ihrer Funktionsweise zu verstehen. Lerne aus den Entscheidungen, und gib diese Grundsätze weiter.
- Schreibe ein „Patching“-Drehbuch zur Entwicklung des Geschäfts, anstatt lange im Voraus zu planen. Das Drehbuch ist wie ein Logbuch auf einem Schiff. Es zeigt den strategischen Kurs an.
- Improvisiere, um Unsicherheiten und Ungewissheiten zu überbrücken. Handle im Sinn der strategischen Idee, auch wenn konkrete Aktionsempfehlungen fehlen.
- Denke und handle immer der Abwägung von Chancen und Risiken im Kopf.
Quelle: (vgl. Lehnert, 2003), (vgl. Eisenhardt/Martin, 2000)
Strategie als Set simpler Regeln
Manfred Brandstätter, MBA
Tel.: +49/151/205 339 32
e-mail: manfred.brandstaetter@settingmilestones.com
Weiterführende Literatur
Brandstätter, M. (2013a): http://organisationsgestalter.blogspot.co.at/2013/07/agile-werkzeuge-fur-das-strategische.html (Abfrage: 04.06.2015).
Brown, S. L. /Eisenhardt, K. (1998): Competing on the Edge. Strategy as Structured Chaos.
Eisenhardt, K./Martin, J. A. (2000): Dynamic Capabilities – What are they? in: Strategic Management Journal, 40/2000.
Eisenhardt, K./ Sull, D. (2001): Strategy as Simply Rules, in HBR, Nr. 79 01/2001, in: Harvard Business Manager (2012): Einfache Regeln für eine komplexe Welt in: HBM Nummer 201210038, S. 38 – 46.
Fahey, L./Narayanan, V. K. (1986): Macroenvironmental Analysis for Strategic Management.
Heitger, B. (2013): Issue_10 Agilität. From Fragile to Agile, http://www.heitgerconsulting.com/index.php?idcatside=507 (Abfrage: 04.06.2015).
Heitger, B./Doujak, A. (2014): Harte Schnitte Neues Wachstum: Wandel in volatilen Zeiten. Die Macht der Zahlen und die Logik der Gefühle im Change Management.
Heitger, B./Serfass, A. (2015): Unternehmensentwicklung: Wissen, Wege, Werkzeuge für morgen.
Kaplan, R. S./Norton, D. (2004): Strategy Maps Strategy Maps – Der Weg von immateriellen Werten zum materiellen Erfolg, Aus dem Amerikanischen von Péter Horváth und Bernd Gaiser, Stuttgart 2004.
Koch, H. (1977): Aufbau der Unternehmensplanung.
Lehnert, J. (2003): The strategic process as a sequence of linear and recursive subprocess – The interaction between planning and bricolage, Präsentationspapier INSEAD,
Maurya, A. (2012): Running Lean: Iterate from Plan A to a Plan That Works.
Müller-Stewens, G./Lechner, C. (2003): Strategisches Management. Wie strategische Initiativen zum Wandel führen.
Osterwalder, A./Pigneur, Y. (2011): Business Model Generation: Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer.
Porter, M., E. (1980): Competitive Strategy: Techniques for analyzing industries and competitors with a new introduction.
Ridderstrale, J./Nordström, K. (2001): Funky Business – Wie kluge Köpfe das Kapital zum Tanzen bringen.
Ries, E. (2001): The Lean Startup: How Constant Innovation Creates Radically Successful Businesses.
Scheich, R. (2012): Handbuch der Strategien – 220 Konzepte der weltbesten Vordenker, München.
Spulber, D. F. (2004): Strategy Introduction, Journal of Economics & Management Strategy, Blackwell Publishing, Vol. 13(1), S. 1-2, New York, S. 255f. auf: Vision & Mission Statement, Target Setting, Development of Strategy, Implementation, Evaluation & Adjustment, New York.
Sull, D. (2005): Strategy as active waiting, in HBR, 1.9.2005, Boston.
Sull, D. (2009): The Upside of Turbulence: Seizing Opportunity in an Uncertain World, New York.